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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 16.09.2003
Aktenzeichen: 1 W 424/03
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO
Vorschriften:
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1 | |
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 1 | |
BRAGO § 32 Abs. 1 |
2. Es wird offen gelassen, ob an der Rechtsprechung des Senats (JurBüro 1990, 1003) festgehalten wird, dass ein vor der Berufungsbegründung gestellter Sachantrag stets dann als notwendig i.S.v. § 91 Abs.1 ZPO anzusehen ist, wenn die Berufung ohne Vorsorglichkeitserklärung eingelegt wurde, oder ob auch hier ausschlaggebend ist, dass der vorzeitige Antrag bei objektiver Beurteilung keine Förderung des Prozesserfolgs erwarten lässt.
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 1 W 424/03
In dem Rechtsstreit
Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 1. April 2003 durch die Richterin am Landgericht Dr. Rieger als Einzelrichterin am 16. September 2003 beschlossen:
Tenor:
In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden die nach dem vollstreckbaren Beschluss des Kammergerichts vom 10. März 2003 - 8 U 2/03 - von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf nur 165,71 EURO nebst Zinsen in Höhe von 4% seit dem 20. März 2003 festgesetzt. Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 20. März 2003 in der Fassung vom 25. März 2003 wird zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin die Gerichtskosten nach einem Wert bis 300 EURO. Die außergerichtlichen Kosten werden nach einem Wert bis 600 EURO gegeneinander aufgehoben.
Gründe:
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 104 Abs. 3 ZPO) und in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. Die der Beklagten im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten sind nur wie folgt erstattungsfähig:
1/2 Prozessgebühr §§ 31 I Nr. 1, 32 I BRAGO 13/20 122,85 Euro Auslagenpauschale § 26 BRAGO 20,00 Euro Umsatzsteuer § 25 II BRAGO aus 142,85 Euro 16% 22,86 Euro 165,71 Euro
Die durch den Sachantrag vom 23. Januar 2003 ausgelöste zweite Hälfte der Prozessgebühr ist der Beklagten durch die Klägerin nicht zu erstatten, weil diese Kosten nicht i.S.v. § 91 Abs.1 S.1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.
Erstattungsrechtlich ist jede Partei gehalten, ihre Kosten so niedrig zu halten, wie sich dies mit einer ordentlichen, die eigenen Rechte in vollem Umfang wahrnehmenden Prozessführung verträgt; von der grundsätzlichen Anerkennung der Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts ist die Frage zu unterscheiden, welche Maßnahmen der einmal bestellte Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für erforderlich halten darf. Hat eine Partei - wie hier - die Berufung ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt und nimmt sie ihr Rechtsmittel, bevor sie es begründet hat, innerhalb der Begründungsfrist zurück, ist der Antrag der Gegenpartei auf Zurückweisung der Berufung zur zweckentsprechenden Verteidigung gegen das Rechtsmittel nicht erforderlich (vgl. BGH BB, 2003, 1754; NJW 2003, 1324; Senat, JurBüro 1991, 1193; AnwBl. 1984, 621; Rpfleger 1982, 355). Der Antrag auf Zurückweisung der Berufung ist sachlich nicht gerechtfertigt, solange ein Berufungsantrag nicht gestellt und das Rechtsmittel nicht begründet worden ist. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann sich der Berufungsbeklagte inhaltlich mit dem Antrag und der Begründung auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie dessen Begründung das Verfahren fördern (vgl. BGH, a.a.O.).
Das gilt auch dann, wenn die Begründungsfrist verlängert worden ist und der Berufungsführer in seinem Antrag auf Fristverlängerung nicht nochmals auf die Vorsorglichkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat; insoweit gibt der Senat seine abweichende Rechtsprechung (JurBüro 1991, a.a.O.) auf. Es besteht - ohne besondere und hier fehlende Anhaltspunkte - für den Berufungsgegner kein Anlass, allein auf Grund eines Antrags auf Fristverlängerung anzunehmen, der Berufungsführer habe sich bereits entschlossen, das Rechtsmittel durchzuführen; die in dem Verlängerungsantrag enthaltenen Angaben dienen regelmäßig nur der Darlegung von Gründen gemäß § 520 Abs.2 S.3 ZPO. Da bereits aus diesem Grund die zweite Hälfte der Prozessgebühr nicht erstattungsfähig ist, kann offen bleiben, ob an der Rechtsprechung des Senats (JurBüro 1990, 1003) festzuhalten ist, dass ein vor der Berufungsbegründung gestellter Sachantrag stets dann als notwendig i.S.v. § 91 Abs.1 S.1 ZPO anzusehen ist, wenn die Berufung ohne Vorsorglichkeitserklärung eingelegt wurde, oder ob auch hier ausschlaggebend ist, dass der vorzeitige Antrag bei objektiver Beurteilung keine Förderung des Prozesserfolgs erwarten lässt (vgl. BGH NJW 2003, a.a.O.).
Eine volle Prozessgebühr ist auch aus dem Kostenwert nicht erstattungsfähig. Der Antrag der Beklagten vom 11. März 2003, der Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, war nicht erforderlich, weil der Kostenbeschluss gemäß § 516 Abs.3 S.2 ZPO n.F. von Amts wegen ergeht (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 91 Rn. 13 "Berufung").
Im Übrigen ist die sofortige Beschwerde nicht begründet; die erste Hälfte der Prozessgebühr ist der Beklagten durch die Klägerin zu erstatten. Auch wenn das Rechtsmittel nur vorsorglich eingelegt wird, darf der Berufungsgegner einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung im Berufungsverfahren beauftragen, da eine mit einem Rechtsmittel überzogene Partei regelmäßig nicht selbst beurteilen kann, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist (BGH, NJW 2003, 756; Senat, Rpfleger 1982, 160 und a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs.1, 97 Abs.1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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